Interview mit dem Menschenrechtsaktivisten A. Maleksha, KMMK
Welches sind die Tätigkeiten des KMMK? Wie arbeiten Sie?
Ich bin tätig in der Organisation zum Schutz der Menschenrechte, dem KMMK (Komela Mafên Mirovan Kurdistan). Wir arbeiten von Europa aus. Unsere Organisation setzt sich für die natürlichen und demokratischen Rechte aller Menschen im Iran ein. Uns geht es darum, die menschenrechtswidrigen Aktionen des iranischen Regimes an die Öffentlichkeit zu bringen.
Wir setzen uns insbesondere für die Minderheiten im Land ein, aber auch Iraner selbst wenden sich manchmal hilfesuchend an uns, wir schicken niemand weg; auch wenn unser Hauptaugenmerk auf die Situation der Kurden gerichtet ist, so wissen wir doch, dass deren Situation die Lage des ganzen Landes widerspiegelt. Frauenrechte sind ein besonderes Thema für uns. Wir verfassen Berichte über alle einzelnen Fälle, um die wir uns kümmern, und machen sie publik über Internet, Presse, Kampagnen und so weiter.
Sie haben eben über andere Minderheiten gesprochen. Sind diese auch aktiv im KMMK, beziehungsweise unterstützen sich die Regimekritiker untereinander?
Das herrschende Regime im Iran unterdrückt all jene, die nicht ihrer Meinung sind und ihrer Religion entsprechen. Die Belutschen, Aserbaidschaner, Araber, Kurden und sowieso auch die Perser, die es wagen, Kritik zu üben, werden im Iran verfolgt und unterliegen verschiedenen Zwängen. Alles, was nicht iranisch und schiitisch ist, steht unter Beobachtung und wird beim kleinsten „Fehltritt“ mit den willkürlichsten Gesetzen geahndet. Stets erreichen uns Berichte und Hilfegesuche von Menschen verschiedenster Herkunft, der KMMK ist nicht gebunden an irgendeine Volks-, Religions- oder Geschlechtsgruppe, wir haben uns keine Grenzen gesetzt. Bei uns sind alle Aktivisten, die sich für die Menschenrechte einsetzen, willkommen. Wir nehmen jede Hilfe an und versuchen jeden, der Hilfe sucht, zu unterstützen.
Das Regime lässt die Menschen im Land in Furcht leben, viele aufständische Gruppen wurden in den letzten drei Jahrzehnten äußerst brutal niedergeschlagen und in kürzester Zeit wurden ihre Arbeiten gestoppt. Trotz all der Unterdrückung hat sich zwischen all diesen Gruppen die kurdische Opposition stets erhalten, sie ist aktiver und besser organisiert, deshalb lasten Druck und Verfolgung auf dem kurdischen Volk im Iran besonders.
Sie haben eben von der politischen Lage der Kurden im Iran gesprochen. Werden Kurden dort auch in gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Hinsicht schlechter behandelt?
Ja, auf jeden Fall. Das iranische Regime ist ein chauvinistisches, das nach einem paniranischen, religiös homogenen Volk strebt. Dementsprechend werden auch Menschen, die anders sprechen, denken, glauben oder wirtschaften, keine Fortschritte zugebilligt. Sie sollen von jeder Weiterentwicklung und Weiterbildung ferngehalten werden. Mit Behauptungen beispielsweise, sie seien gegen Gott, werden Sie dann irgendwie von der Bildfläche vertrieben. Das Regime geht so weit, dass alle, die nicht in ihr homogenes Staatsbild passen, erhängt werden. Das Erhängen von Oppositionellen [Todesstrafe als Strafmaß] ist dort normal.
Ich möchte gleich näher auf die Todesstrafen eingehen, zuerst aber eine Frage zum Waffenstillstand zwischen PJAK und Iran: Der Iran drang im September 2011 in das Kandil-Gebirge vor, griff dort die kurdische Guerilla an und wurde von ihr zurückgedrängt. Danach gab es einen Waffenstillstand zwischen ihnen. Wie ist der jetzige Stand? Wird der Waffenstillstand eingehalten? Außerdem haben wir erfahren, dass mehrere kurdische Aktivisten erhängt wurden, beziehungsweise auf die Vollstreckung ihrer Todesstrafe warten. Sind diese Todesstrafen außerhalb Kandils nun eine Art der Fortsetzung des Krieges?
Der Krieg im Kandil verharrt zurzeit nur in einer Waffenruhe, er ist nicht vorüber. Es gibt weder einen Dialog zwischen den beiden Parteien, noch ist dieser Waffenstillstand eine Garantie dafür, dass wirklich keine mehr die andere angreift. An den Waffenstillstand waren Bedingungen geknüpft, zum Beispiel sollte kein wegen vermeintlicher Verbindung zur PJAK [Partei für ein Freies Leben in Kurdistan] einsitzender Häftling erhängt werden. Wie allerdings heute zu sehen ist, werden diese politischen Gefangenen vorsätzlich mit den seltsamsten Strafen belegt und dann tatsächlich aufgrund dessen erhängt. Meistens heißt es, der Verhaftete habe gegen Gott agiert. Seit dem Waffenstillstand gab es in diesem Sinne keine Todesstrafe wegen politischer Überzeugung; Schmuggelei wird den Verhafteten auch gern vorgeworfen. Dafür gehören sie dann nach iranischem Gesetzesverständnis auch getötet.
In den letzten Jahren, vor allem in den letzten Monaten ist des Öfteren eine internationale Intervention gegen den Iran im Gespräch. Allen voran Israel scheint es damit sehr eilig zu haben. Zurzeit richten sich alle Augen auf Syrien, der Iran scheint jedoch der Nächste zu sein. Wie stehen die Kurden im Iran dazu?
Wir Kurden sind gegen eine Intervention des Westens. Wir haben die Beispiele Afghanistans, des Iraks und Libyens. All die Interventionen haben dem Volk tatsächlich keinen Fortschritt und keine Demokratie gebracht. Wir wollen, dass das iranische Regime einer Demokratie weicht, so wie das Land zurzeit regiert wird, so kann es nicht weitergehen. Ein Staat, der erhängt, steinigt und verhaftet, muss weg. Warum das kurdische Volk eine Intervention der westlichen Staaten nicht gutheißt, liegt vor allem daran, dass es den Menschen in all den Ländern, die in der nahen Vergangenheit einer Intervention ausgesetzt waren, bis heute nicht besser geht. Weder rechtlich noch politisch sind sie heute freier als vor den Angriffen.
Es gab auch Vorschläge, den Staaten um den Iran herum die Verhandlungen zu überlassen. Es war die Rede davon, Syrien, die Türkei und so weiter mit einzubeziehen; wir stehen dem sehr ablehnend gegenüber, da wir von den Unterdrückern anderer Regionen keine Besserung erwarten.
Dafür eher von einer Umgestaltung des staatlichen Modells, als durch Krieg irgendwen aus seiner Position zu zwingen. Interventionen der Mächte bringen keine Lösung mit sich. Die Veränderungen müssen von der Bevölkerung der jeweiligen Region ausgehen. Nur das unterdrückte Volk kann dieses Regime im Iran stürzen und einen Wandel bewirken, keine Intervention des Westens und Israels kann das. Schon als das religiöse Regime an die Macht kam, waren die Kurden gegen einen solchen Staat, ihr Kampf gegen das Regime besteht von Anfang an.
Weitere Informationen: www.kmmk.info/
Quelle: Kurdistan Report Nr. 162 Juli/August 2012