In der Türkei unter Recep Tayyip Erdoğan herrscht ein etwas eigenwilliges Verständnis von demokratischen Wahlen vor. So werden gerne Mal Wahlen wiederholt, wenn die Ergebnisse nicht im Sinne der Regierungspartei sind (Parlamentswahlen 2015/Kommunalwahlen Istanbul 2019) oder aber auch gewählte Mandatsträger*innen ihres Amtes enthoben oder gleich aus dem Parlament heraus in das Gefängnis gesteckt (Parlamentsabgeordnete und Bürgermeister*innen der HDP 2016). Im Jahr 2016 hatte die AKP-Regierung es schließlich auf die Höhe getrieben, als sie auf Grundlage des Ausnahmezustands insgesamt 94 von 102 gewählten Bürgermeister*innen der Demokratischen Partei der Regionen (DBP, Schwesterpartei der HDP) in den kurdischen Siedlungsgebieten absetzte und 93 von ihnen festnehmen ließ. An die Stelle der paritätisch besetzten Doppelspitze wurden männliche sogenannte Zwangsverwalter im Auftrag der AKP-Regierung eingesetzt, von denen sich viele in der Folgezeit in Korruptionsaffären verwickelten und die kurdischen Kommunen unter einem Schuldenberg begruben. Folglich wunderte es nicht, dass bei den Kommunalwahlen am 31. März dieses Jahres die HDP in den meisten kurdischen Kommunen die Mehrheit erlangte und demokratisch legitimierte Bürgermeister*innen in den kurdischen Gebieten wieder ihre Arbeit aufnehmen konnte. Doch auch dieses Mal war die AKP mit den Wahlergebnissen in den kurdischen Regionen nicht einverstanden und griff schließlich am 19. August zur Tat.