Türkei: Systematische Assimilationspolitik gegen kurdische Sprache

Die kurdische Sprache gehört weltweit zu den wenigen Sprachen, deren Nutzung jahrzehntelang als Straftat galt und deshalb geahndet wurde. Bis 1991 war in der Türkei ein striktes Sprachverbotsgesetz in Kraft, das Kurdisch in allen Lebensbereichen unter Strafe stellte – ein Verbot kurdischer Namen mit eingeschlossen. Zwar wurde das Gesetz aufgehoben und die Reformpakete im Zuge der EU-Beitrittsverhandlungen ließen zunächst eine gewisse Lockerung erhoffen. Doch in der Praxis wird die kurdische Sprache weiter diskriminiert und ihre Nutzer:innen werden mit Repression überzogen. Die jüngsten Beispiele dieser Diskriminierung spielten sich am vergangenen Wochenende ab und verdeutlichen die fehlende Umsetzung der eingegangenen Verpflichtungen des türkischen Staates.

Inhaftierungen aufgrund Predigt in kurdischer Sprache

Am 3. Juli wurden insgesamt 26 Vertreter des Demokratischen Islamkongresses (DIK) und des Vereins der Religionsgelehrten (DIAY-DER) in Istanbul festgenommen. Sie wurden nach sieben Tagen Polizeigewahrsam am Freitag dem Haftrichter vorgeführt. Das Gericht ordnete für neun von ihnen Untersuchungshaft an, während die übrigen unter gerichtlichen Meldeauflagen freikamen. Bei den Inhaftierten handelt es sich um Ekrem Baran, Ali Fuat Hatip, Aydın Ayhan, Enver Karabey, Mehmet İnan, Mehmet Emin Aslan, Nezir Erdemci, Hafik Tunç und Sefa Mehmetoğlu.

Rechtsanwalt Vedat Ece von der Freiheitlichen Jurist:innenvereinigung, der die Festgenommenen vertritt, berichtet, der Grund für die Festnahmen und Inhaftierungen seien die Aktivitäten der Vereine. Darauf deuteten Verhörfragen hin wie: „Warum habt ihr nicht die Predigten der Religionsbehörde (Diyanet) verlesen?“ und „Warum predigt und betet ihr auf Kurdisch?“ Ece führt aus: „Sie wurden beschuldigt und verhaftet, weil sie auf Kurdisch gepredigt und auf Kurdisch gebetet haben.

Nach zehn Jahren: Haftstrafe für kurdischsprachiges BDP-Schild

2011 wurde gegen den kurdischen Lokalpolitiker Talha Kaya aus der Provinz Agirî (tr. Ağrı) ein Ermittlungsverfahren wegen „Terrorpropaganda” und „Widerstand gegen Polizeibeamte“ eingeleitet. Sein Vergehen war es, als damaliger Vorsitzender des Kreisverbands der BDP in Bazîd (Doğubeyazıt) ein Schild am Parteigebäude angebracht zu haben, auf dem der kurdische Name seiner Partei stand: Partiya Aştî û Demokrasiyê, zu Deutsch: „Partei des Friedens und der Demokratie“.

Ein ganzes Jahrzehnt später hat die 2. Strafabteilung des Amtsgerichts Doğubayazıt eine Entscheidung getroffen und Kaya wegen „Propaganda für eine terroristische Organisation” zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und acht Monaten verurteilt. Für Talha Kaya offenbart die Gerichtsentscheidung die Perspektive der türkischen Justiz auf die kurdische Sprache, wie er sagt. Er finde das Urteil bezeichnend, schließlich handelte es sich bei der BDP um eine legale Partei, die vor zehn Jahren eine Fraktion in der türkischen Nationalversammlung hatte.

Kolonialistische Maßnahmen wie der Austausch von kurdischen Hinweisschildern finden seit dem ersten Putsch gegen die kurdische Kommunalpolitik im Herbst 2016 in großem Stil statt. In nahezu allen zuvor von der HDP oder ihrer Schwesterpartei DBP geführten Rathäusern in Nordkurdistan, in denen Verwaltungsbeamte des AKP-Regimes als Zwangsverwalter eingesetzt wurden, gehörten die Verbannung der kurdischen Sprache aus dem öffentlichen Leben oder die Verballhornung von Ortsnamen zu den ersten Amtshandlungen.

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