In unserem neuen Newsletterformat informieren wir regelmäßig über die neuesten Entwicklungen in Kurdistan. Das Format entsteht in Kooperation mit dem Podcast “Frieden für Kurdistan” und soll einen Überblick über alle relevanten Nachrichten aus Kurdistan und der Region geben.
Für alle, die sich lieber per Audio auf dem Laufenden halten – die folgenden Links führen zum “Frieden für Kurdistan”- Podcast:
Neue Regierung in Damaskus vorgestellt
Nach der Verabschiedung einer sogenannten Übergangsverfassung für Syrien wurde am vergangenen Sonntag eine neue Übergangsregierung unter der Leitung von al-Sharaa einberufen. Diese soll in vier Jahren durch eine gewählte Regierung abgelöst werden.
Obwohl al-Sharaa betont, Diversität im Kabinett zu berücksichtigen, sind zentrale Positionen mit seinen engen Vertrauten besetzt. Unter den 23 Mitgliedern befinden sich eine Christin, ein Alawit, ein Druse und ein Kurde. Die übrigen 19 Ministerien sind mit sunnitischen Muslimen besetzt, darunter auch die Schlüsselressorts Außen-, Verteidigungs- und Innenministerium. Die Armee, der Geheimdienst und die Polizei unterstehen damit direkt dem Präsidenten. Auch das Justizministerium bleibt unter der Kontrolle eines Islamisten der HTS.
Die Regierungsbildung stößt auf breite Kritik, da al-Sharaa alle Posten selbst bestimmt hat, ohne demokratische Legitimation. Die Demokratische Selbstverwaltung Nord- und Ostsyriens, die etwa 30 % des Landes verwaltet, war nicht in den Prozess eingebunden. Sie kritisiert: „Die neue Regierung ignoriert die Vielfalt Syriens, setzt auf Machtmonopolisierung und schließt Bevölkerungsgruppen sowie politische Akteure aus. Diese Politik wiederholt die Fehler der Vergangenheit und verschärft die Krise, statt sie zu lösen.“
Auch andere Organisationen weisen die neue Regierung zurück. Der Frauenrat Zenobia fordert insbesondere eine angemessene Repräsentation von Frauen in allen Bereichen der Regierung.
Vor drei Wochen unterzeichnete al-Sharaa eine Übergangsverfassung, die für die nächsten fünf Jahre gültig sein soll. Sie gesteht dem Präsidenten eine enorme Machtfülle zu. Demnach hat dieser das Recht, ein Drittel der Parlamentsabgeordneten sowie alle Richter des Verfassungsgerichts zu nominieren. Auch den Notstand kann al-Sharaa ohne Probleme ausrufen. Bereits gegen diese Übergangsverfassung gab es breite Proteste.
Diese Politik, an der die Regierung in Damaskus festhält, führt zurück zum Ausgangspunkt, wo eine Partei die Macht monopolisiert. Dies erinnert an das Baath-Regime, unter dem ebenfalls Bevölkerungsgruppen und politische Akteure systematisch von der Verwaltung und den Angelegenheiten des Landes ausgeschlossen wurden.
Selbstverwalteten Stadtteilen in Aleppo Autonomie zugesichert
Nach Verhandlungen zwischen der Demokratischen Selbstverwaltung Nord- und Ostsyriens und der Regierung in Damaskus wurde eine Einigung über die kurdisch geprägten Stadtteile Şêx Meqsûd und Eşrefiyê in Aleppo erzielt. Ziel ist die Sicherung von Stabilität, Sicherheit und friedlichem Zusammenleben unter Wahrung der gesellschaftlichen und politischen Strukturen der Viertel. Die Vereinbarung ist Teil eines umfassenderen Dialogs, der langfristig auch die Rückkehr Vertriebener aus Afrin umfassen soll.
Andauernde Angriffe der Türkei in Nord- und Ostsyrien
Seit knapp drei Monaten halten Gruppen aus verschiedenen Städten Nord- und Ostsyriens eine Mahnwache am Tişrîn-Staudamm ab, um ihn vor den anhaltenden Angriffen der Türkei zu schützen. Der Damm steht kurz vor dem Bruch, was eine ökologische und soziale Katastrophe auslösen könnte.
Die Demokratischen Kräfte Syriens (QSD) haben kürzlich Bildmaterial veröffentlicht, das den Bau neuer türkischer Militärbasen in Syrien zeigt – teils bis zu 70 km von der Grenze entfernt. Insgesamt sprechen die QSD von über 200 türkischen Militärbasen und Stützpunkten in Syrien, in denen zehntausende Soldaten, moderne Panzer, schwere Geschütze sowie Radarsysteme und Überwachungsgeräte untergebracht sind. Berichten zufolge plant die türkische Armee zudem, die Luftbasis T4 nahe Palmyra unter ihre Kontrolle zu bringen, was eine erhebliche Expansion ihrer Militärpräsenz in Syrien bedeuten würde.
Türkische Kampfflugzeuge bombardieren Südkurdistan
Nach Angaben der Volksverteidigungskräfte (HPG) dauert der Beschuss der Medya-Verteidigungsgebiete in Südkurdistan weiter an. In einer über ihre Pressestelle herausgegebenen Mitteilung berichten die HPG von fünf Luftangriffen durch türkische Kampfflugzeuge und mehreren hundert Granateneinschlägen in Teilen von Metîna, Xakurke, Gare und Zap, die seit dem 3. April 2025 erfasst wurden. Die meisten Geschosse – über 440 – gingen demnach rund um die Massive Girê Amêdî und Girê Bahar nieder. Beide Widerstandsmassive liegen an der Westfront der Zap-Region. Auch die Menschenrechtsorganisation Community Peacemaker Teams (CPT) bestätigt die anhaltenden Kriegshandlungen des türkischen Staates in Südkurdistan und weist darauf hin, dass die Angriffe nach der Friedensbotschaft Öcalans nur geringfügig zurückgegangen sind.
Volkstribunal spricht die Türkei schuldig
Das Permanent Peoples’ Tribunal (PPT), eine internationale zivilgesellschaftliche Instanz zur Untersuchung schwerer Menschenrechtsverletzungen, hat die Türkei wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit verurteilt. In dem Urteil werden unter anderem folgende Vergehen angeführt:
- Bombardierung von Krankenhäusern, Schulen und Wasserinfrastruktur
- Einsatz von weißem Phosphor gegen Zivilisten
- Willkürliche Exekutionen
- Systematische Folter, Entführungen und Verschwindenlassen
Besonders hervorgehoben wird die demografische Umstrukturierung in Efrîn nach der türkischen Besatzung, die zur Vertreibung von 200.000 Kurd:innen geführt hat. Das Tribunal fordert den sofortigen Rückzug der Türkei aus Nordostsyrien und die Strafverfolgung hochrangiger türkischer Entscheidungsträger vor dem Internationalen Strafgerichtshof, darunter Präsident Erdoğan.
Proteste in der Türkei dauern an
In Istanbul gingen am Samstag erneut Hunderttausende auf die Straßen, um die Freilassung des Bürgermeisters Ekrem Imamoğlu und vorgezogene Neuwahlen zu fordern. Die DEM-Partei beteiligte sich mit einem eigenen Block an den Protesten.
Die CHP kündigte an, ab nächster Woche wöchentliche Demonstrationen zu organisieren. Studierende, die an vorderster Front der Proteste stehen, geht dies jedoch nicht weit genug. Einige forderten aus dem Gefängnis heraus die Arbeiter:innen zu Generalstreiks auf. Zudem riefen sie zu einem Boykott auf, indem sie Menschen aufforderten, am vergangenen Mittwoch keine Einkäufe zu tätigen.
IHR: Zahl der Hinrichtungen in Iran verdoppelt
Nach Angaben der Nichtregierungsorganisation „Iran Human Rights“ (IHR) hat sich die Zahl der Hinrichtungen in Iran verdoppelt. In den ersten drei Monaten des Jahres seien mindestens 230 Menschen hingerichtet worden, erklärte die in Norwegen ansässige Organisation am Freitag. Die Hinrichtungen seien zumeist wegen mutmaßlicher Morde und Drogendelikten vollstreckt worden. Menschenrechtsorganisationen werfen Iran vor, die Todesstrafe zu nutzen, um insbesondere nach den „Jin Jiyan Azadî“-Protesten des Jahres 2022, die im Zuge des staatlichen Feminizids an der Kurdin Jina Mahsa Aminiausbrachen, in der Öffentlichkeit Angst zu säen. Nach Angaben von IHR hatte das Mullah-Regime im vergangenen Jahr mindestens 975 Menschen hingerichtet. Das ist die höchste Zahl seit Beginn der Dokumentation der Organisation im Jahr 2008.
Geburtstag von Abdullah Öcalan
Zum 76. Geburtstag von Abdullah Öcalan am 4. April starteten über 100 Jugendliche der DEM-Partei einen Protestmarsch von Amed (Diyarbakır) nach Amara, seinem Geburtsort. Sein Geburtstag wird in weiten Teilen Kurdistans als Tag des gesellschaftlichen Wiederaufbaus und der Frauenbefreiung gefeiert. Traditionell werden an diesem Tag Tausende Bäume gepflanzt, inspiriert von Öcalans Ideen zum ökologischen Bewusstsein.
Demo für einen gerechten Frieden in Kurdistan
Am 10. April findet in Berlin eine Demonstration für einen gerechten Frieden in Kurdistan statt. Die Organisator:innen appellieren an die Bundesregierung, ihre Einflussmöglichkeiten zu nutzen, um den Friedensprozess in Kurdistan zu unterstützen. Besonders gefordert wird die Aufhebung des PKK-Verbots als Zeichen einer neuen friedensorientierten Politik. Treffpunkt ist um 13 Uhr am Brandenburger Tor.
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