Kommentar von Civaka Azad – Kurdisches Zentrum für Öffentlichkeitsarbeit, 02.09.2016
Presseberichten zufolge sollte sich die Bundesregierung von der Armenienresolution distanzieren. Im Gegenzug wird die Türkei deutschen Abgeordneten Zugang zum Luftwaffenstützpunkt İncirlik gewähren. Dabei war die Forderung in Deutschland laut geworden, auch innerhalb der Koalition, das Mandat hierfür nicht mehr zu verlängern.
Ein Kotau vor Erdoğan
Die Erklärung hierzu hat nun Regierungssprecher Seibert abgeben und die Vorwürfe einer Distanzierung vehement zurückgewiesen. Wieder beruft sich die Regierung auf Gewaltenteilung und die Unabhängigkeit ihrer verschiedenen Institutionen. So verwies die Regierung im Fall Böhmermann auf die Justiz, nun auf Parlament und Justiz. Merkel, Steinmeier und Co, die schon der Abstimmung im Bundestag ferngeblieben waren, halten sich erneut im Hintergrund, weil es als Kotau vor Erdoğan gewertet werden könnte. Wenn es das nicht ist, was dann?
Der 2. Deal mit einer diktatorischen Türkei
Es ist ein schmutziger Deal, der zweite in diesem Jahr, mit einem Land, in dem nicht erst seit dem Militärputsch de facto eine Diktatur herrscht. Schon der Deal der EU mit der Türkei, maßgeblich ein Produkt von Bundeskanzlerin Merkel – schließlich reiste sie im vergangenen Jahr zweimal in die Türkei und kehrte vor den Parlamentswahlen den roten Teppich vor Staatspräsident Erdoğan aus -, wurde unter Missachtung aller vom Westen als die seinen gepriesenen Werte, Achtung der Grund- und Menschenrechte sowie demokratischer und rechtsstaatlicher Prinzipien, geschlossen. Seitdem hat sich die Lage in der Türkei rapide verschlechtert. Spätestens mit dem Militärputsch vom 15. Juli hat sich die Türkei offen zu einer zivilen Diktatur bekannt.
Deal mit Aktionsplattform für Islamisten
Nun wird erneut ein Pakt mit dieser Diktatur geschlossen, werden Erdoğan und seine Gefolgschaft in ihrem repressiven Vorgehen bestärkt. Vor dem Hintergrund, dass das Innenministerium die Türkei als Aktionsplatform für islamistische Organisationen, die eine regionale wie globale Bedrohung darstellen, bewertet, ist diese Haltung besonders riskant.
Vorführung des Bundestages
Diese Entscheidung ist nicht nur kritisch in Zusammenschau dieser Entwicklungen, sondern auch ein Fauxpas der Bundesregierung gegenüber dem eigenen Parlament. Zunächst wurde im Fall Böhmermann die Pressefreiheit auf dem Tablet serviert, nun der Hauptpfeiler einer Demokratie, der Bundestag. Vergessen sind scheinbar die Worte Erdoğans, der in Bezug auf die Abgeordneten mit Migrationshintergrund aus der Türkei eine Blutuntersuchung zur Rassenbestimmung gefordert hatte. Allerdings dürften diese Worte kaum verwundern, schließlich benannte Erdogan zuvor das Nazi Regime als Vorbild für eine von ihm angestrebte Präsidialdiktatur. Mit der heutigen Erklärung wurden diese Abgeordneten zum Abschuss freigegeben.
Verantwortung übernehmen
In der Resolution ging es auch um die Verantwortung Deutschlands bei dem Massaker gegen die Armenier, die von der Distanzierung ebenfalls betroffen ist. Die Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte ist unabdingbar für Stabilität und Frieden, auch in Deutschland und der Türkei. Hier wird wieder einmal Solidarität an falscher Stelle ausgeübt. Solidarität sollte stets den Opfern eines Völkermordes gelten, nicht den Verantwortlichen!