Heiner Busch, Grundrechtekomitee, 23.03.2017
Am 26. November 1993 wurde die Arbeiterpartei Kurdistans PKK vom Bundesinnenminister verboten. Die Fortführung der Organisation, das Zeigen ihrer Kennzeichen und Fahnen in der Öffentlichkeit, galten nun als Straftaten. Das Verbot wurde seitdem kontinuierlich ausgeweitet, auf alle Organisationen, die das Bundesinnenministerium als Nachfolgeorganisationen veranschlagte.
Dreieinhalb Monate nach dem vereinsrechtlichen Verbot, am 7. März 1994, folgte das Urteil des Staatsschutzsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf in dem Mammutverfahren gegen 18 kurdische Frauen und Männer, das 1989 begonnen hatte. Die Bundesanwaltschaft hatte ihr Ziel erreicht: Die PKK galt nun als «terroristische Vereinigung» nach § 129a StGB. Weitere Verurteilungen konnten im Zurechnungsmodus erfolgen. Mitgliedschaft oder Unterstützung der Organisation reichten für lange Haftstrafen aus. 1998 – nachdem die Organisation für Europa einen Gewaltverzicht erklärt hatte – folgte die Herabstufung zur «kriminellen Vereinigung», die Strafen wurden niedriger. 2010 überlegte der Bundesgerichtshof neu. Zwar waren nun in Deutschland und in Europa keine Straftaten der PKK mehr zuzuordnen. Damit wäre eigentlich auch das Prädikat der «kriminellen Vereinigung» hinfällig gewesen. Als neues strafrechtliches Instrument stand nun aber der § 129b StGB – «terroristische Vereinigung im Ausland» – zur Verfügung. Die PKK in Europa und alles, was man ihr zurechnete, sollte nun als Ableger der PKK in der Türkei und damit auch als verantwortlich für deren Straftaten gelten, die die Bundesanwaltschaft – ganz im Sinne des türkischen Staates – weiterhin als «terroristisch» einstufte. Das Bundesjustizministerium hatte seine Verfolgungsermächtigung für Kader der Organisation ab der Ebene der Gebietsleiter erteilt. Die Betroffenen haben nicht nur mit mehrjährigen Haftstrafen, sondern nach ihrer Entlassung mit einer Ausweisung zu rechnen. Sie können zwar nicht abgeschoben werden, sind aber gezwungen unter einem prekären Status zu leben.
Die vereins- und die strafrechtliche Kriminalisierung der PKK trifft aber längst nicht nur die Verurteilten. Ermittlungsverfahren gehen durchweg mit einer dichten Überwachung kurdischer Vereine durch die Polizei einher. Und auch der Verfassungsschutz «beobachtet» die kurdische Gemeinschaft und wiederholt dann in seinen jährlichen Berichten die ewigen stupiden Erklärungen über die PKK als größte nicht-islamistische extremistische Ausländervereinigung.
Als hätte das alles nicht genügt, hat der Bundesinnenminister mit einer Verfügung vom 2. März 2017 die Liste der verbotenen Fahnen und Symbole erneut verlängert. Bilder von Abdullah Öcalan, der seit 1999 in türkischer Haft sitzt, sind nun genauso untersagt wie die Fahnen der syrisch-kurdischen «Partei der demokratischen Union» PYD und der «Volksverteidigungseinheiten» YPG, die kurzerhand der PKK zugeschlagen werden. Mitten im Abstimmungskampf um die Verfassungsänderung, die aus der Türkei eine Präsidialdiktatur machen soll, hat der Minister nichts Besseres im Sinn, als der Regierung Erdogan zu zeigen, dass sie eigentlich völlig richtig liege – sowohl mit ihrer Repression in den kurdischen Gebieten der Türkei als auch mit ihrem militärischen Vorgehen im kurdischen Norden Syriens.
Fahnen der syrisch-kurdischen Organisationen waren schon an der Kobane-Kundgebung in Frankfurt/Main am 1. November letzten Jahres verboten – aufgrund einer versammlungsrechtlichen Auflage des Ordnungsamtes der Stadt . Die Verfügung des Bundesinnenministeriums kam nun pünktlich zum kurdischen Neujahrsfest Newroz, das für die kurdische Gemeinschaft traditionell nicht nur ein Anlass zum Feiern, sondern auch zum Demonstrieren ist. 30 000 Menschen haben am letzten Samstag an den zentralen Demos in Frankfurt/Main teilgenommen. Die Frankfurter Polizei war immerhin so vernünftig, dass sie auf eine unmittelbare Beschlagnahme der inkriminierten Fahnen und damit auf eine Konfrontation mit der offensichtlich friedlichen Demo verzichtete. Allerdings hat sie die Demo kontinuierlich gefilmt. Kurz nach 18 Uhr ließ sie über ihren Twitter-Kanal wissen: «Der Großteil der gelben Fahnen im vorderen Bereich ist nicht direkt vom Verbot des BMI umfasst. Trotzdem werden sie und die Demonstranten, die sie tragen dokumentiert. Die Unterlagen werden anschließend der Staatsanwaltschaft zur Prüfung vorgelegt. Um die friedliche Ausübung des Versammlungsrechts nicht zu gefährden, werden Verstöße gegen das Vereinsgesetz/die Auflagenverfügung angezeigt.» Wenn der Staatsanwaltschaft am Schutz der Versammlungs- und Meinungsfreiheit gelegen ist, dann muss sie auf die Einleitung von Verfahren verzichten. Das allein reicht jedoch nicht aus. Nach über 23 Jahren müssten sowohl die Bundesregierung als auch die Strafverfolgungsbehörden merken, dass sie mit dem PKK-Verbot auf einem undemokratischen Holzweg sind.