“Ich konnte keinen Verrat an meiner Menschlichkeit und an meinem Gewissen begehen”

FinanciFiratnews, 25.06.2016

Die Vorsitzende der Menschenrechtsstiftung Türkei (TIHV) Prof. Dr. Şebnem Korur Fincancı wendete sich aus dem Frauengefängnis von Bakırköy an die Öffentlichkeit. Financi war am 20. Juni mit zwei weiteren Journalisten festgenommen wurde, weil sie Rahmen der Kampagne “Bereitschaftsjournalismus” für die Tageszeitung Özgür Gündem gearbeitet hatte. Nun teilte sie aus dem Gefängnis folgende Auszüge aus ihren Tagebucheinträgen, um ihre Gedanken der Öffentlichkeit mitzuteilen:

“Ich bin ausschließlich für mich selbst hier, um mir im Spiegel weiterhin in mein Gesicht schauen zu können und um weiterhin mit mir selbst in Frieden leben zu können. Ich hätte es nicht ertragen, als ein unmoralischer und gewissenloser Mensch weiter zu leben. Mein Grund ist völlig privat, gar egoistisch. Wenn ich im Kampf um die Menschlichkeit das gute Leben und die Rechte, die ich für mich einfordere, nicht mit anderen Menschen teilen kann, so würde ich mich schämen, selbst von diesen Gebrauch zu machen. An Stelle dessen habe ich mich für den Kampf entschieden. Die Freunde sollten nicht traurig sein. Es ist eine Ehre für mich, in dieser Zeit im Gefängnis zu sein, während Menschen sterben, aus ihrer Heimat vertrieben werden, ihre Wohnungen zermtrümmert werden und aus den Trümmern menschliche Körperteile gefunden werden, während die kleinste Nachricht und Kritik mit Gewalt beantwortet wird, und auf der anderen Seite Menschen mit Hass erfüllt und Gräueltaten befördert werden, unvorstellbaren Tötungsmethoden applaudiert und die Gesellschaft beschmutzt wird. Darüber zu schweigen wäre in erste Linie ein Verrat an mich selbst und an mein Menschsein.”