„¡No pasarán!“ oder „Berxwedan Jiyan e!“

no pasaran berxwedanStimmen aus Kobanê (Teil 3)
Can Çiçek, Mitarbeiter von Civaka Azad – Kurdisches Zentrum für Öffentlichkeitsarbeit e.V., 01.10.2014

„Berxwedan Jiyan e“ (Widerstand heißt Leben), so die Worte Asia Abdullahs auf die Frage, wie es denn aktuell um die Situation in Kobanê aussieht.

Kobanê wird weiter von allen Seiten angegriffen. Mittlerweile schlagen Mörsergranaten auch im Stadtzentrum ein. Dabei kam bis jetzt mindestens ein Zivilist ums Leben. Mehrere Verletzte sind zu verzeichnen.

Die Stadt leistet seit nun mehr als 15 Tagen unermüdlichen Widerstand gegen die Angriffe der Terrormiliz des IS. Der Widerstand der kurdischen Bevölkerung der jüngeren Geschichte scheint seine bedeutendste Reflexion in den Worten „Berxwedan Jiyan e“ zu finden. Ein Zeitfenster in dessen Nischen Resistenzen gegen Militärputsche und Dorfverbrennungen, Flammenmeere zu Newroz versteckt liegen.

Fast schon tragisch doch zu gleich kolossal scheint es zu klingeln, dass diese Tradition ihren Widerhall und Fortsetzung heute in Kobanê findet.

Berxwedan Jiyan e!

„Widerstand heißt Leben. Die Hoffnungen der Menschen richten sich derweilen dem Widerstand. Den Menschen bleibt auch keine andere Wahl außer Widerstand zu leisten. Sie zeigen sich entschlossen, die Stadt zu verteidigen.“, so die Beobachtungen von Abdullah aus Kobanê. Die Co-Vorsitzende der Partei der Demokratischen Einheit erklärt weiter, dass dem Vormarsch der IS durch den Widerstand der Volksverteidigungseinheiten (YPG) und Frauenverteidigungseinheiten (YPJ) Einhalt geboten werden konnte und die Angreifer an vielen Stellen zurückgeschlagen werden konnten.

Die Einheiten der YPG kämpfen gemeinsam mit anderen Gruppierungen unter dem Bündnis Burkan el Firat. Luftangriffe auf IS-Stellungen in Kobanê konnten mittlerweile, wenn auch nur vereinzelt, registriert werden.

Dementiert wurden dagegen die Behauptungen einiger Meldungen, wonach 1800 Peschmergakämpfer nach Kobanê gelangt wären. „Kobanê ist derzeit nur über die türkische Grenze erreichbar. Um nach Kobanê zu gelangen bräuchte die Peschmerga Passiergenehmigung seitens der Türkei. Eventuell sind die Menschen gemeint, die vor einigen Tagen den Grenzzaun zu Syrien gebrochen haben und zu Tausend nach Kobanê gekommen sind, um sich dem Widerstand anzuschließen. Angesichts der derzeitigen Handlungsweise, die seitens der türkischen Armee an der Grenze zu Kobanê an den Tag gelegt wird, kann ich mir auch nur schwer vorstellen, dass die türkische AKP-Regierung dem Überqueren der Grenze durch die Peschmerga gewähren würde.“, so die PYD-Co-Vorsitzende weiter.

Gemeint dürfte Abdullah unter anderem das Vorgehen türkischer Soldaten gegen einen kurdischen Flüchtling haben. Ciwan Behcet wurde, als er mit zwei weiteren Personen versucht hatte, die Grenze zu überqueren seitens des türkischen Militärs festgenommen. Auf der Wache soll er gefoltert worden sein. So stark, dass er seinen Verletzungen erlag. Die Leiche von Behcet ist ausgesetzt in der Nähe des Grenzzauns gefunden worden. Zu sehen sind Abdrücke von Schlagstockschlägen, die stark an Spuren von Peitschenhieben erinnern lassen. ((http://firatnews.com/news/guncel/turk-askerleri-bir-rojavali-kurt-u-daha-katletti.htm))

„¡No pasarán!“ („Sie werden nicht durchkommen!“)

Abdulsalam Mustafa, Europavertreter der PYD, lässt der Widerstand der heutigen Tage in Kobanê an die Rebellion gegen das Franco-Regime im spanischen Bürgerkrieg erinnern.

Damals mobilisierte Dolores Ibárruri Gómez, genannt La Pasionaria, die republikanischen Kräfte um die spanische Hauptstadt zu verteidigen. Dabei wurde ihr Ruf „¡No pasarán!“, was zu Deutsch  „Sie werden nicht durchkommen!“ heißt, zum prägenden Ruf für den Widerstandskampf.

„Mit dem Ziel Kobanê zu besetzen und an das aufgerufene sogenannte Kalifat anzugliedern  wurden dutzende Dörfer zerstört und geplündert. Diese kolonialistischen Faschisten verwüsten alles, was ihnen in die Quere kommt. Wie dem Faschismus des Franco-Regimes unter der Devise „¡No pasarán!“ Einhalt geboten wurde, werden die Menschen von Kobanê diesem Klerikalfaschismus des IS die Stirn bieten und ihn zum Stoppen bringen.“, so die Aussagen von Mustafa weiter.

Aufruf für internationale Hilfe

Enwer Muslim, Ministerpräsident von Kobanê, ruft zur humanitären Hilfe auf. „Die Lage humanitäre Lage ist derzeit äußerst kritisch. Aufgrund des Wirtschaftsembargos der Türkei und der Distanz zu den anderen kurdischen Kantonen, fällt es der Bevölkerung schwer, ihren Grundbedarf eigenständig zu gewährleisten. Hinzu kommen nun die schweren Angriffe der Terrormiliz.“, so die Worte Muslim, der die internationale Gemeinschaft zum dringenden Handeln aufruft.

Indessen sorgt eine andere Meldung in den türkischen Medien für Schlagzeilen. Der Soldat, der vor einigen Tagen die Bürgermeisterin von Amed (Diyarbakir) Gültan Kisanak aus dem Lande verweisen wollte, wurde seitens des türkischen Generalstabchef Özel mit einer Auszeichnung versehen. ((http://www.cnnturk.com/haber/turkiye/gultan-kisanaki-kovan-subaya-necdet-ozelden-odul-iddiasi))

Der Vorfall löste in der Türkei eine große Debatte aus. Als türkische Soldaten gegen Menschen, die den Flüchtlingen aus Kobanê zur Hilfe eilen wollten, mit Tränengas und Wasserwerfern vorgingen, sprach Kisanak mit einem Vertreter des Militärs. Den Aussagen der Bürgermeisterin, dass „dein Staat mir versprochen hatte, dass wir unsere Zelte selbst abbauen dürften“, entgegnete der Armeesprecher, „wenn das mein Staat, dann verzieh dich aus meinem Land“, und zeigte dabei in Richtung syrische Grenze. ((https://www.youtube.com/watch?v=BF1FgT_vT2M))

Trotz sämtlicher Indizien, die für die Unterstützung der IS durch die Türkei zu sprechen, scheint es manchen Menschen weiterhin an Beweisen hierfür zu mangeln. Diese Auszeichnung sei „eigentlich der beste Beweis für die Unterstützung des IS. Dadurch reproduziert sich die Mentalität des Islamischen Staates im Handeln des türkischen Staates wieder.“, wie der Journalist Özgür Rencberlik uns gegenüber erklärte.

In diesen Tagen klingt wieder einmal die Geschichte des alten Liedes aus den Tälern Kurdistan. Der kurdischen Bevölkerung bleibt wohl erneut keine andere Wahl außer Widerstand zu leisten.

Die Stimmen aus Kobanê sagen:  „BERWEDAN JIYAN E“

 

Zum Weiterlesen:

Stimmen aus Kobanê (Teil 1): „Ich habe keine Angst, es gibt nichts weiter als den Tod“

Stimmen aus Kobanê (Teil 2): Widerstand in Kobanê: Wir geben nicht auf!