Versucht die französische Staats- anwaltschaft uns einzuschläfern?

Ferda ÇetinFerda Çetin, Journalist, 04.03.2013

Es sind knapp zwei Monate seit den Morden an den drei kurdischen Frauen in Paris vergangen. Nach der Tat ist vieles an die Öffentlichkeit gelangt. Aber es gibt keine Hinweise darauf, dass die Untersuchungen sich vertieft oder ernstzunehmende Ergebnisse gebracht haben.
Der Journalist Ali Özserik von der Tageszeitung Yeni Özgür Politika hat eine wichtige Nachricht veröffentlicht. Darin heißt es, dass der MIT Agent Murat Sahin, der 2005 von der türkischen Botschaft in der Schweiz vom türkischen Geheimdienst angeworben wurde, den dringend Tatverdächtigen Güney kennt. Sahin zufolge ist Güney auch ein MIT Agent. Haben die französischen Staatsanwälte sich mit diesem Hinweis beschäftigt, irgendwelche Untersuchungen in diese Richtung eingeleitet? Haben sie beispielsweise mit Murat Sahin gesprochen?

Der Mitbewohner von Ömer Güney hatte mitgeteilt, dass dieser neben seinem Handy noch vier weitere Mobiltelefone verwendet habe. Das bedeutet doch, dass Güney mit mindestens vier Personen persönliche Gespräche geführt hat. Hat die Polizei oder die Staatsanwaltschaft Untersuchungen eingeleitet, in welche Länder oder mit welchen Personen Güney über diese Mobiltelefone Gespräche geführt hat?

Ömer Güney hat gemeinsam mit kurdischen Jugendlichen in den Niederlanden an einem Jugendcamp teilgenommen. Am 3. Dezember wurden die Teilnehmer dieses Camps von der Polizei festgenommen. Nachdem ihre Aussagen von der Polizei aufgenommen worden sind, hat man sie wieder auf freien Fuß gesetzt. Diese Festnahme wurde auch der französischen Polizei mitgeteilt. Es stellt sich die Frage, ob Güney daraufhin nicht zwischen dem 3. Dezember 2012 und dem 9. Januar 2013 von der französischen Polizei beschatte wurde?

Am 7. Januar war Güney zu einem Essen eingeladen worden. Der Tisch war bereits gedeckt, doch bevor das Essen begonnen werden konnte, hat Güney einen Anruf bekommen. Er soll daraufhin gesagt haben, dass der Anruf wichtig sei und er nicht zum Essen bleiben könne. Diese Begebenheit, die zwei Tage vor dem Mord stattgefunden hat, wurde der Polizei mitgeteilt. Hat die Polizei sich hiermit beschäftigt? Woher kam dieser „wichtige“ Anruf vom 7. Januar?

Kennen sich Adnan Gürbüz, der aus demselben Landkreis in der Türkei wie Güney stammt, und Ömer Güney? Haben sie sich getroffen, als Gürbüz zwei Tage vor dem Mord von London nach Paris gereist ist?

Wurden die acht Reisen innerhalb eines Jahres, die Güney in Richtung Ankara gemacht hat, untersucht und rückverfolgt? 

Der kurdische Mitbürger, der als erster nach dem Mord an den drei Frauen das Büro aufgeschlossen, den Mord entdeckt und die Polizei gerufen hat, erklärte, dass er aufgrund seines Schocks die Polizei gebeten habe, noch vor seiner Aussage seine Hände und Gesicht waschen zu wollen. Die Polizei habe ihm die Erlaubnis dazu gegeben. Im Nachhinein merkt er, dass er eigentlich diese Erlaubnis der Polizei nicht hätte kriegen dürfen. Denn hätte die Polizei nicht von ihm, der als erster nach dem Mord das Büro betreten hat, zunächst Fingerabdrücke nehmen müssen? Hatte die Polizei wirklich nicht daran gedacht?

Während die französische Staatsanwaltschaft bei der Untersuchung dieser Morde sehr gelassen und geduldig ist, scheint sie es bei der Verfolgung und Bestrafung kurdischer AktivistInnen sehr eilig zu haben. Gegen 18 kurdische PolitikerInnen, die im Jahr 2007 festgenommen wurden, forderte die Staatsanwaltschaft Haftstrafen zwischen 3 und 5 Jahren. Dabei handelt es sich um Menschen, die mit ihrer politischen Identität vor der Unterdrückung und dem Staatsterror der Türkei nach Frankreich geflohen sind. Bei ihnen handelt es sich um Menschen, die für die Freiheit des kurdischen Volkes eingesetzt haben. Frankreich hat in dieser Hinsicht klar Position bezogen. Ihre Parole lautet: „Wer gegen meinen Verbündeten ist, ist auch gegen mich.“ Vor nicht allzu langer Zeit, in den 90er Jahren, war auf der ersten Seite der Pässe, welche Frankreich Flüchtlingen in ihrem Land gab, zu lesen, dass das französische Volk Menschen, die für ihre Freiheit kämpfen und ihre Heimat deshalb verlassen mussten, das Recht auf Aufenthalt gibt. Nun hat sich die Situation verkehrt. Statt des französischen Volks fällen nun die französische Regierung, die französische Polizei und die französischen Staatsanwälte die Entscheidungen: Wer für Freiheit kämpft wird verhaftet, bestraft und eingesperrt.

Quelle: YÖP, 04.03.2013, ISKU

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