Quo vadis, Türkei?

Podiumsdiskussion über die aktuelle politische Lage in der Türkei, ihre Auswirkungen auf Deutschland und die Zukunft der deutsch-türkischen Beziehungen

26.01.2018 | 18 Uhr | Philosophenturm Hörsaal D
Von-Melle-Park 9 | Universität Hamburg

Seit dem vermeintlichen Putsch im Sommer 2016 befindet sich die Türkei in einem dauerhaften Krisenzustand. Dabei sind Inhaftierung, Folter und Verschleppungen unter der AKP-Alleinherrschaft zum Alltag geworden und bestimmen das politische Klima. Mit einer absurden 600-seitigen Anklageschrift werden gegenüber dem inhaftierten Co-Vorsitzenden der HDP, Sellahattin Demirtas, schwerwiegende Vorwürfe erhoben, u.a. wegen Volksverhetzung und Aufstachelung zur Gewalt. Dessen Prozess begann am 07.12.2017 in Ankara, nachdem er über ein Jahr …

Wenn die AKP sich an Trump nicht festklammern kann…

Der Politologe İlhan Uzgel analysiert die Krise in den US-türkischen Beziehungen, 25.10.2017

Nie gab es in den turbulenten 70 Jahren US-türkischer Beziehungen eine solche Phase wie heute. Offizielle Statements, Berichte von Think-Tanks und das Erscheinungsbild in US-Medien sind seit einiger Zeit so negativ wie nie zuvor. Im Endeffekt aber spielt die USA weiterhin eine Rolle für die Türkei, die von besonderer Wichtigkeit ist. Das gilt insbesondere für die AKP, für die 2001 die USA der wichtigste Unterstützer auf dem Weg zur Macht war. Dessen sind sich auch regierungsnahe Kreise bewusst und deswegen sind sie in besonderer Sorge.

In dieser Kolumne …

Täterverehrung statt gesunder Erinnerungskultur – Symbolpolitik der AKP

Alîşêr Qocgirî über den Frontalangriff auf die Erinnerungen der Völker Anatoliens; für den Kurdistan Report September/Oktober 2017

»Die ArmenierInnen sind stolz auf euch; ihr seid alle ArmenierInnen, wir werden euch alle töten« – diese Ansage war während des Belagerungszustands in der kurdischen Stadt Cizîr (Cizre) 2015/2016 unüberhörbar, da sie lautstark aus den Lautsprechern der türkischen Sicherheitskräfte ertönte. Die militärischen Spezialeinheiten der Jandarma als auch der Polizei (JÖH und PÖH) machten die oben genannte Stadt und etliche weitere in Nordkurdistan dem Erdboden gleich. Laut der türkischen Menschenrechtsstiftung (TIHV) kamen im Zuge dieser Belagerungen im Zeitraum von August 2015 bis April 2016 …

Jeder vom Staat ermordete Kurde ist ein Terrorist!

Der CHP-Abgeordnete Sezgin Tanrikulu macht auf einen Fall aufmerksam, in welchem ein kurdischer Zivilist durch die Drohne der türkischen Armee ermordet wird. Anschließend wird Tanrikulu kurzerhand zum “Terror-Unterstützer” erklärt, von Celal Baslangic, 18.09.2017

Eines Nachts wurde das Dorf Yeşilyurt in Cizre vom Militär besetzt. Wie immer waren sie auf der Suche nach “Terroristen”. Die Dorfbewohner mussten sich daraufhin auf dem Dorfplatz versammeln. Dann wurden sie misshandelt und geschlagen. Sie mussten sich auf den Boden legen und den Teppich spielen, während die Soldaten über ihre Körper spazierten. Als wäre das nicht genug, wurden sie auf Befehl des Kommandanten, der den „Einsatz“ …

Vernichtungsplan gegen Kurden damals und heute

Aktuelle Bewertung von Hatip Dicle, Co-Vorsitzender des DTK (Kongress für eine Demokratische Gesellschaft); für den Kurdistan Report September/Oktober 2017

Die türkische Republik ist 1923 aus den Trümmern des Osmanischen Reiches entstanden. Dieser neue türkische Nationalstaat knüpfte auf der Suche nach seiner ideologischen Ausrichtung am rassistischen, monistischen, assimilatorischen und oligarchischen Geist der »İttihat ve Terakki«-Bewegung an – des Komitees für Einheit und Fortschritt, der letzten Regierungsmacht des Osmanischen Reiches. Auf diesem Wege sollte nach dem Genozid an den christlichen Armeniern und den Suryoye mittels einer auf längere Sicht angelegten Assimilationspolitik gegenüber den mehrheitlich muslimischen ethnischen Minderheiten, allen voran den Kurden, eine …

Die Türkei befindet sich in einer Phase des Selbstmords

Bese Hozat, Kovorsitzende des Exekutivrats der Gemeinschaft der Gesellschaften Kurdistans (KCK), im Gespräch mit der Nachrichtenagentur Firat (ANF); im Folgenden veröffentlichen wir Auszüge aus dem Interview zur innenpolitischen Situation der Türkei und den dt.-türk. Beziehungen, 31.08.2017

Die Türkei wendet gegen Abdullah Öcalan eine verschärfte Form der lebenslangen Haftstrafe an. Begeht sie damit nicht ein Verbrechen?

In keinem nationalen oder internationalen Gesetzeswerk bzw. Rechtsabkommen lässt sich ein Konzept oder Gesetz wie das der „verschärften lebenslangen Haftstrafe“ finden. Dieses ist eine Erfindung des rassistischen und kolonialistischen türkischen Staates. Das steht zweifellos im Widerspruch zu den internationalen Menschenrechten und stellt dementsprechend ein großes …

Erneut Foltervorfälle seitens türkischer Einsatzkräfte in Nordkurdistan

Civaka Azad – Kurdisches Zentrum für Öffentlichkeitsarbeit, 12.08.2017

Wie jetzt erst bekannt wurde, haben türkische Einsatzkräfte bei einer Operation im ländlichen Gebiet von Şemzînan (Şemdinli) in der nordkurdischen Provinz Colêmerg (Hakkari) zahlreiche Bewohner des Dorfes Şapatan festgenommen und gefoltert. Zu dem Einsatz der türkischen Einheiten kam es, nachdem bei Gefechten mit der PKK am 6. August ein Polizist getötet wurde. Anschließend überfielen Polizei und Militär das rund 1.000 Einwohner zählende Dorf und misshandelten ihre Bewohner.

Eine Delegation der Demokratischen Partei der Völker (HDP) besuchte nach Bekanntwerden der Vorfälle das Dorf und sprach mit den betroffenen Einwohnern von Şapatan. Diese berichten, …

Folter, Repression und Vertreibung in der Türkei

Pressemitteilung von IPPNW – Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges, 20.07.2017

Die ärztliche Friedensorganisation IPPNW fordert die Bundesregierung anlässlich der jüngsten Verhaftung von MenschenrechtlerInnen auf, sich für alle aus politischen Gründen Verfolgten, Vertriebenen und Inhaftierten einzusetzen. Dazu gehören HDP-Abgeordnete, -BürgermeisterInnen und -Mitglieder, GewerkschafterInnen, JournalistInnen, ÄrztInnen, FrauenrechtlerInnen, VertreterInnen ziviler Vereine, Personen, die verhaftet wurden unter dem Verdacht auf „Terrorunterstützung“ ohne gerichtsverwertbare Beweise. Deutsche Waffenlieferungen an den NATO-Partner Türkei müssen verboten werden, auch die Auslagerung von Waffenproduktion in die Türkei, wie es zur Zeit von Rheinmetall mit Panzern geplant ist.

Eine Reisegruppe der IPPNW fand im März 2017 in der Türkei, …

Schluss mit den Angriffen auf Afrin!

Stellungnahme des Kurdistan Nationalkongress (KNK) zu den Kriegsvorbereitungen des türkischen Staates gegen den kurdischen Kanton Afrin in Rojava, 07.07.2017

Die türkische Armee greift seit mehreren Tagen die befreiten Gebiete von Şehba und Afrîn in Rojava an.  Infolge der Angriffe sind bislang sechs Menschen getötet und Dutzende verletzt worden. Zahlreiche Siedlungsgebiete wurden zerstört und die Menschen sind gezwungen, ihre Dörfer zu verlassen. Die türkische Armee hat mit der Verlegung militärischer Fahrzeuge entlang der Grenze Vorbereitungen für einen großangelegten Krieg getroffen. Um die Erlaubnis für den Krieg gegen die Kurden in Syrien zu erhalten, führt der türkische Staatspräsident Erdogan Gespräche mit …

Einige tragikomische Versuche an der kurdischen Bevölkerung

Baskin Oran listet für das Nachrichtenportal T24 die “tragikomischen” Regierungspraktiken der AKP gegen die kurdische Zivilbevölkerung seit dem Putschversuch im vergangenen Jahr auf, 25.06.2017

Ich werde in meiner Kolumne lediglich auf die Ereignisse seit der Putschparodie vom 15. Juli eingehen. Ich werde diese Ereignisse auch nicht weiter kommentieren. Wem die aufgelisteten Ereignisse surreal erscheinen, kann gerne im Internet nach ihnen recherchieren. Ich werde auch nicht von (Regierungs-)Handlungen oder von (Regierungs-)Praxis gegen die Kurden sprechen. Ich spreche von Versuchen bzw. Experimenten. Denn um eine spezielle Gruppe innerhalb eines Landes als Ganzes so zu entrüsten und brüskieren, bedarf es eben solcher Experimente, …

“Frieden bedeutet demokratische Autonomie in Kurdistan”

Besê Hozat, Kovorsitzende de KCK-Exekutivrates, 16.06.2017

„Das AKP-Regime ist ein Kriegsregime. Die Kräfte, mit denen sie nun eine Allianz gebildet hat, sind solche, die in der Türkei jahrzehntelang den Krieg bestimmt und geführt haben. Das sind sozusagen Zentren des Spezialkriegs. Mit diesem Bündnis und der dazugehörigen Kriegspropaganda mag die AKP eine Anziehungskraft und Wirkung auf die nationalistischen Kreise ausüben. Ganz besonders könnte sie eine gewisse Wirkung auf die Kernbasis der AKP, die MHP und ähnliche nationalistische Parteien haben. Keine Auswirkung wird sie dagegen auf die kurdische Bevölkerung, die demokratische Gesellschaft der Türkei und auf die demokratischen Kräfte haben. Es ist …

Vom Lösungsprozess zur Eskalation in Kurdistan – Ein Rückblick

Mako Qoçgirî, Civaka Azad – Kurdisches Zentrum für Öffentlichkeitsarbeit e.V., 13.06.2017

Es ist nicht lange her, vor etwas mehr als zwei Jahren gab es noch starke Hoffnungen auf eine andere, eine demokratische und friedliche Türkei. Doch heute stehen wir einer gänzlich anderen Situation gegenüber. Wir wollen nochmal einen Blick zurück werfen. Wie konnte es soweit kommen?

Vom Lösungsprozess und dem Wahlerfolg der HDP bei den Parlamentswahlen 2015 bis zum Ein-Mann-Präsidialsystem

Der türkische Staat führte seit 2013 mit dem inhaftierten PKK-Vorsitzenden Abdullah Öcalan intensive Gespräche über eine friedliche Lösung der kurdischen Frage. Und auch wenn von Seiten der AKP dieser Dialogprozess …

Der historische Moment des neo-osmanischen Traums und die Demokratische Föderation Nordsyrien

Abdulmelik Ş. Bekir, Gazete Karınca, 13.05.2017

Mit jedem Tag wird deutlicher, was Syrien in Zukunft für eine Gestalt annehmen wird. Von der Vielzahl staatlicher und nichtstaatlicher Akteure, die am seit sechs Jahren andauernden Bürgerkrieg teilnahmen, sind viele ausgeschieden und die anfangs unübersichtliche Lage weicht nun einer etwas klareren Gleichung. Als verbliebene Hauptakteure können Russland, der Iran, Syrien, die USA und die QSD (Demokratische Kräfte Syriens) genannt werden. Außerhalb dieser Gleichung bleiben zurzeit Katar, Saudi Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate, der IS, die KDP und die Al Nusra-Front. Die Türkei und die ihr verbundenen FSA-Gruppen haben in dieser Gleichung eine neutrale …

Die Bedeutung hinter den Angriffen auf Shengal und Rojava

Fehim Taştekin für Gazete Duvar, 27.04.2017

Die Türkei hat nach einer langen Episode von Drohungen nun zum Schlag gegen die „feindlichen Elemente“ in Şengal und Rojava ausgeholt. Die Ziele wurden zunächst durch unbemannte Drohnen ausfindig gemacht, bevor die Angriffe durch die F-16 Kampflieger geflogen wurden. „Ziel erfassen – angreifen – vernichten“, das ist es, was den Soldaten interessiert. Über welche sozialen, politischen, historischen oder geographischen Bezüge das Zielobjekt verfügt, das interessiert den Soldaten in dem Moment nicht. Doch wenn sich die Politik allein auf die Logik des Soldaten verlässt, dann bedeutet das wenig Gutes.

Egal welcher Ideologie wir nachhängen, wir …

Wenn Worten Taten folgen

Hintergrundartikel zu den derzeitigen Kriegsvorbereitungen in Südkurdistan (Nordirak), Civaka Azad, 26.04.2017

In Südkurdistan steht ein neuer Krieg bevor. Den seit Monaten anhaltenden Drohungen der türkischen Regierung und der KDP folgen dieser Tage Taten: Meldungen von einem angeblich durch die PKK gekidnappten Internationalisten in Shengal, Panzer- und Truppenverlegungen entlang der türkisch-südkurdischen Grenze und Terrorismusvorwürfe gegen die PKK stimmen derzeit die Öffentlichkeit darauf ein, dass baldmöglichst ein Krieg gegen die PKK-Kräfte in Shengal und dem Kandil-Gebirge beginnen soll. Am 25. April kam es dann schließlich auch zu den ersten Angriffen der türkischen Luftwaffe auf Shengal und in Rojava. Ob es sich dabei …

Eine blutende Wunde: Die Hungerstreiks

Şebnem Korur Financi, Evrensel, 10.04.2017

Letzte Woche hatte ich die Gelegenheit, den Freunden in den Gefängnissen in Form meiner Kolumne einen Brief zu schreiben. Ich habe eine Zugfahrt genutzt, um diesen Brief fertigzuschreiben. Denn auf der einen Seite wollte ich das Briefeschreiben nicht weiter hinauszögern, da ich aufgrund der schnell wechselnden Tagesordnung unseres Landes immer wieder aufs Neue ansonsten mit neuen Aufgaben überhäuft werde. Auf der anderen Seite war die Reise mit der Bahn eine willkommene Gelegenheit, um meine stets angefangenen, aber nie zu Ende gebrachten Notizen in einen Brief auszuformulieren.

Ich mag es, unterwegs zu sein und erst recht …

Wie die “Nein-Kampagne” zu einem Ding der Unmöglichkeit wird

Serhat Ovayolu für Civaka Azad – Kurdisches Zentrum für Öffentlichkeitsarbeit, 05.04.2017

Wir befinden uns auf dem Weg zum Referendum in der Türkei. Doch dieser Weg wird begleitet von Bedingungen und einer Atmosphäre, die es so in der Türkei noch nicht einmal zu Zeiten der Militärputsche gegeben hat.  Der “Putschversuch” vom 15. Juli des vergangenen Jahres hat sich unlängst in einen zivilen Putsch verwandelt. Die Repressionen und Angriffe denen die Menschen seitdem ununterbrochen durch die Regierung ausgesetzt sind,  haben mittlerweile einen geradezu institutionalisierten Charakter angenommen.

So können die Experten beim Blick auf die Medienlandschaft in der Türkei eine bereits erfolgreich vollzogene …

Die neuen Spielchen der Türkei in Syrien

Seyit Evran, Firatnews, 04.04.2017

Recep Tayyip Erdoğan und seine AKP schmieden derzeit neue Pläne für Syrien, Nordsyrien und Rojava. In den vergangenen Tagen war immer wieder die Rede davon, die für abgeschlossen erklärte Euphrat-Shield Operation unter einem neuen Namen möglicherweise fortzusetzen. Eingebunden in diese Pläne sind auch die USA. Doch während die Türkei von neuem anfängt ihre Syrienpläne mit den USA zu entwerfen, leiden hierunter zeitgleich die Beziehungen zu Russland.  Zudem beschleunigt die Türkei derzeit ihre Politik des demographischen Wandels in der Shehba Region in Nordsyrien.

Eine neue Front gegen Russland

In den vergangenen Tagen hatte die Türkei ihre Besatzungsoperation …

AKP-Terror erreicht Europa: Messerattacke in Brüssel auf „Nein-Wähler“

Presseerklärung von NAV-DEM – Demokratisches Gesellschaftszentrum der KurdInnen in Deutschland, 31.03.2017

Am frühen Abend des 30. März wurden in Brüssel bei einem Messerangriff vier Personen verletzt, die zur Stimmabgabe für das türkische Verfassungsreferendum sich auf dem Weg in das Konsulat befanden. Bei den Opfern des Angriffs handelt es sich um Kurden mit türkischer Staatsangehörigkeit. Eine Person wurde bei dem Vorfall durch einen Stich in den Hals schwer verletzt. Der Angreifer, bei dem es sich offensichtlich um einen AKP-Anhänger handelt, flüchtete nach der Attacke ins türkische Konsulat. Nach dem Vorfall demonstrierten zahlreiche Menschen vor dem türkischen Konsulat gegen den gewalttätigen Angriff. …

… problematisch ist eher der psychische Druck

Bericht der Menschenrechtsdelegation aus Deutschland beim Newrozfest in Wan, 18.03.2017

Wir treffen uns mit Mitarbeiter_innen der unter dem OHAL (Ausnahmezustand) verbotenen Nachrichtenagentur DIHA, die nun unter dem Namen DIHABER arbeiten. Wir sprechen zunächst mit einer Frau, die 14 Jahre lang für DIHA gearbeitet hat. Nach dem Verbot der Agentur und der Schließung der Büros  hat sich die neu gegründete Agentur mit anderen Agenturen zusammengetan und ein kleines Büro in Wan bezogen. Die Zusammenarbeit mit anderen Agenturen ist nichts Neues, schon vor dem OHAL nutzten prokurdische Zeitungen und Agenturen, wie Özgür Gündem, Azadiya Welat oder JINHA – die alle mittlerweile verboten …